‚‚Ich male, um mir meine Welt zu schaffen. Ich habe das 
        Bedürfnis mir Wände aus Bildern zu schaffen. Mit diesen selbstgeschaffenen 
        Bildern entsteht ein Raum. Diese Bilder sind zugleich mein Lebensraum.’’
        Mit diesen selbstverfassten übergeordneten Worten von der Malerin 
        Jasmin Kosel kommen wir zu ihr selbst. Sie lebt in Fellbach, hatte dort 
        im Januar 2005 im Kunstverein Fellbach die letzte Einzelausstellung und 
        plant für das Jahr 2007 eine nächste Ausstellung im Museum der 
        Stadt Waiblingen.
        Sie hat in Stuttgart an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste 
        bei den Professor/innen Groß, Mansen und Güdemann studiert 
        und ist Mitglied im Verband bildender Künstler Württemberg, 
        Region Rems Murr.
        Lassen Sie mich zunächst der Frage nachgehen: Wie entsteht ein Bild? 
        Am Anfang steht die Idee, dann folgt die Materialisierung, einerlei ob 
        es sich um ein Tafelbild oder um ein Wandbild handelt.
        Bei einem Wandbild, der frühen Form von Bild, wird der architektonische 
        Raum in seiner Mitteilung, in seiner Botschaft ergänzt und erweitert. 
        Denken sie dabei etwa an die frühchristlichen Mosaiken in Ravenna 
        oder an die Wandbild-Fresken der Arena-Kapelle in Padua von Giotto.
        Der Ausgangspunkt zum Bild liegt hier in diesem Raum, in dem mittelalterlichen 
        Widumhof in Urbach ganz anders. Jasmin Kosel reagiert mit Formen und Farben 
        auf den spezifischen Raum, auf den konstruktiven Raum mit seinem Fachwerk-Charakter, 
        mit seiner ausgeriegelten Wand, welche mit grauer Schlämme überarbeitet 
        ist. Sie reagiert auf einen Raum , in dem eine nicht ausgeriegelte durchsichtige 
        Fachwerk-Trägerwand in der Mitte des Raumes steht. Gegenüber 
        einer überputzten flächigen Wand mit zwei Türen. 
     Als Denkansatz gestaltet sie den Raum nicht allegorisch, bildhaft ergänzend, 
      sondern sie bringt effektiv Reales und Bildhaftes in zwei Ebenen über 
      Fensteröffnungen zusammen zur Bildentstehung. Sie geht mit System an 
      die Arbeit. Sie tastet sich an den vorhandenen realen Raum heran. Sie analysiert, 
      hinterleuchtet, setzt sich mit diesem Raum auseinander. Dieses Analysieren, 
      diese Bestandsaufnahme bezieht sich einerseits auf die konstruktive Seite, 
      auf die Stützen, auf die Streben, auf die Ausriegelung dieser konstruktiven 
      Gegebenheiten. Diese verwendet sie als bildnerisches konstruktives Gerüst 
      für ihre Bildkomposition. 
     Ihr Suchen nach Bestandsaufnahme setzt sich fort im farbigen Fliesen-Charakter 
        des Bodens. Aus diesem keramischen Farbeindruck entwickelte sich ein erweitertes 
        Farbkonzept. Aus der Gleichheit wird die Farbfamilie, wird die komplementäre 
        Farberweiterung dazu gesetzt, weiter dynamisiert und fleckhaft aufgelöst. 
        
        Dieser Vorgang wird im Entwurf vorgeplant, durchdacht und durch Entwurfsskizzen 
        – auch hier in der Ausstellung – nachvollziehbar gemachte 
        Realisierung. Diese untersuchende Vorarbeit wird in die reale 1:1 Komposition 
        mit aufgenommen. Es entstehen sieben Feldteile auf Rahmen nebeneinander, 
        jeweils mit einem Fenster versehen.
        Die gemalten konstruktiven Balken geben dem gesamten Bild Kraft und kommpositionelle 
        Stabilität. Die gemalten Balken sind weiter differenziert durch, 
        mit dem Grund maltechnisch verbundenen Schnüren, welche die Balkenformen 
        grafisch und räumlich weiter präzisieren. Zwischen diesen Fachwerkfeldern 
        wird eine dynamisch fleckhafte Farbabwicklung eingebracht, welche das 
        statische Gefüge kommpositionell aktiviert und malerisch dynamisiert. 
        Es entsteht im Bild eine horizontale Abwicklung, ein FARB-RAUM-BILD.
 
     In die einzelnen Rahmenteile sind Fenster ausgeschnitten, welche den 
        optischen Zugang zu der grauen Balkenrealität ermöglichen.
        Der geistige Ansatz ist: Illusion und Realität verbinden sich miteinander 
        und nebeneinander. Dies ist der eigentliche originelle künstlerische 
        Akt, die Bilderfindung, die Reaktion auf diesen Raum; es ist eine gelungene 
        spirituelle Bild-Idee der Malerin Jasmin Kosel. Sie ist inspiriert von 
        der Architektur und der Farbe dieses Ausstellungsraumes. Fenster- und 
        Türausschnitte haben es ihr angetan. Diese beziehen sich auf die 
        Wahrnehmung des effektiven Raumes, des Farbraumes und auf die verschiedenen 
        Ebenen der Durchdringung mit ihren komplexen optischen Reizen.
    Auf der Einladungskarte lassen sich die verschiedenen Fensterwirkungen 
      in ihrem optischen Verhalten deutlich nachvollziehen: Der blaue Grund mit 
      gekreuzten roten Linienbalken steht hinter der weißen Fläche. 
      Die weiße Fensterfläche liegt vor diesen Balken, obwohl der Fensterausschnitt 
      einen Durchblick suggeriert. Es entsteht eine optische Doppelwirkung. 
 
 Anders auf der Innenseite der Karte: Der dunkel orangefarbene, dynamisch 
        gestaltete Farbraum schiebt sich nach vorn, und der harte Türausschnitt 
        gibt den Blick frei in die architektonische Öffnung. 
        Jasmin Kosel selbst sagt: ‚Meine Bilder enthalten Tür- und 
        Fensterausschnitte. Durch sie soll die Leinwand als Wand definiert und 
        verstanden werden. Warum ich so eine starke räumliche Präsenz 
        anstrebe, ist das Bedürfnis mich über das Gefühl hinaus 
        physisch in das Bild zu begeben. Meine Schöpfungen sollen betreten 
        werden können.’
        Soweit die eine, mehr statische Seite des Raumes.
        Die andere Seite steht in spannungsvoller, auflockernder Kraft gegenüber: 
        Vier Einzelbilder mit Tür- und Fensterausschnitten signalisieren 
        dynamisch fleckhaft Blick- und Bildpunkte. Die bildnerische Bearbeitung 
        sucht hier spannungsgeladen instabile Verhältnisse im Bildraum, im 
        Gegensatz zur gegenüberliegenden Wand. Das spontane kraftvolle Setzen 
        der Farbflecken wird hier unmittelbar und gekonnt eingesetzt. 
        Wir erkennen in dieser raumbezogenen bildnerisch-künstlerischen Stellungnahme 
        eine gründliche Vorbereitung mit Tiefgang, ein Nachdenken, sich Versenken 
        und ein prozesshaftes, überzeugendes Arbeiten. Eine unverwechselbare 
        spezifische Antwort auf diesen Raum im Widumhof.
        Jasmin Kosel arbeitet analytisch und gezielt. In diesem Zusammenhang ist 
        es interessant, wie sie sich und ihre Arbeit selbst sieht, wenn sie sagt, 
        sie habe das Bedürfnis sich physisch in das Bild hinein zu begeben. 
        Ein Raum kann betreten und physisch erfahrbar werden. So wünscht sie 
        sich auch das Eintreten in ihre Bilder mit ihren Öffnungen, Türen 
        und Fenstern. Auch mit ihren Schnurelementen im Bild. So, wie wir über 
        die Kunst in andere Denkwelten einsteigen, in die man alleine nicht einsteigen 
        könnte. Sie will durch das Bespielen des Ausstellungsraumes durch Kontaktnahme, 
        dass ihre Schöpfungen betreten werden können. Sie bezeichnet ihren Raum als                FARB-RAUM, indem sie den effektiv realen Raum 
        über die Farbe in einen anderen Raum - auch spirituell gemeint - verwandelt.
        
        Ich wünsche Jasmin Kosel in ihrer künstlerischen Arbeit weitere 
        Einblicke mit Tiefgang und Erfolg, im Vordringen und Verzahnen von Realem 
        und Artistischem, von Dinglichem und Visionärem, durch Türen und 
        Fenster weitere Öffnungen zum Spirituellen Raum herzustellen.